Klarierungsagenten, wie Jens Klaassen, sind die Möglichmacher der Seefracht. In den Häfen vermitteln sie zwischen Schiffscrew, Logistikunternehmen, Reedereien und Behörden und sorgen für die reibungslose Be- und Entladung der Schiffe.

Logistik aktuell hat Jens Klaassen einen Tag lang bei seiner Arbeit am Seehafen Emden begleitet. Im zweiten Teil des Beitrags begleiten wir ihn zur Ausklarierung eines Frachtschiffs und erfahren, welche Rolle das Wetter bei seiner Arbeit spielt.

Die Kunst des Stauens

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Bevor Jens Klaassen meist als letzter von Bord geht und das Schiff auslaufen kann, werden die Behörden informiert und geprüft, ob die Fracht korrekt verstaut wurde. © EVAG
Bevor Jens Klaassen meist als letzter von Bord geht und das Schiff auslaufen kann, werden die Behörden informiert und geprüft, ob die Fracht korrekt verstaut wurde. © EVAG

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Die erste Woche im Februar. Eine leichte Brise weht durch den Emder Hafen. Um 13.00 Uhr trifft Jens Klaassen im Hafengebiet ein – frisch gestärkt vom Mittagessen. Ein ereignisreicher Vormittag liegt hinter ihm. Und am Kai wartet schon die nächste Aufgabe auf den Klarierungsagenten. Ein Schiff ist für die 14-Uhr-Schicht fertiggestellt.

Für Jens Klaassen bedeutet das: Er muss jetzt das Ausklarieren einleiten, also die Abfertigung des Schiffes. Dazu spricht er bei den Stellen vor, welche die Schiffspapiere für das Auslaufen fertigstellen. In erster Linie geht es dabei um die Staupläne. Sie verzeichnen, was wo an Bord geladen worden ist. Denn beim Stauen eines Schiffes darf die Ladung nicht einfach irgendwo abgestellt werden. Wichtig ist, dass das Schiff gleichmäßig beladen wird. Nur dann liegt es möglichst gerade im Wasser und verbraucht so wenig Sprit und Kosten wie nötig.

Jens Klaassen nimmt den Stauplan entgegen und läutet die nächsten Schritte ein: Telefonisch informiert er Bundespolizei und Zoll über das geplante Auslaufen. Dann reicht er die Notiz weiter an die Lotsen des Emder Hafens. Eine Stunde beträgt der Vorlauf: „Wir wollen um 15.00 Uhr ablegen.“

Währenddessen haben die Kollegen im Agenturbüro der EVAG ihre eigene Checkliste abgearbeitet. Sie prüfen beispielsweise, ob der Wasserstand jenseits der Hafenschleusen für den Tiefgang des Schiffes hoch genug ist. Die Gezeiten sind der Taktgeber. Über sein Smartphone erhält Klaassen grünes Licht und terminiert die Abfahrt auf 15.00 Uhr – verbindlich. Mit diesem wichtigen „roten Anruf“ setzt er einen Automatismus in Gang, auf dessen Grundlage sich Lotse, Festmacher und Schlepper auf den Weg machen, um pünktlich um 15.00 Uhr beim Schiff zu sein.

Letzte Vorbereitungen vor dem Auslaufen

Sofern Landgangsausweise von der Besatzung einzusammeln sind, begibt sich die Bundespolizei noch einmal kurz an Bord. Die Abfertigung durch den Zoll ist ein reiner Verwaltungsvorgang, der im Hintergrund abläuft. Zum letzten Akt des Ausklarierens begibt sich dann Jens Klaassen über die lange Gangway an Bord des Schiffes. Er eilt das Treppenhaus hinauf zur Brücke. Mit dem englischen Kapitän erörtert er kurz das Ende des Hafendurchlaufs und auch der Stauplan ist wieder zur Hand: Klaassen und der Kapitän vergleichen ihre Angaben, an welchen Stellen das Schiff beladen wurde und mit welcher Fracht. Haken dran.

Die Prozedur hat etwas länger gedauert als geplant. Jens Klaassen macht sich auf den Rückweg und stößt im Treppenhaus fast mit dem Lotsen zusammen. Ein deutliches Zeichen, dass es höchste Zeit ist, das Schiff zu verlassen. Ein kurzes Hallo. Klaassen fragt, ob irgendwelche Probleme im Revier, also bei der Hafenausfahrt, zu erwarten sind. Kopfschütteln. Also weiter. Das Dröhnen der Maschinen lässt das ganze Schiff erzittern. Jetzt ist alles auf Standby. Wie so oft verlässt Klaassen als letzter Mann das Schiff. Hinter ihm wird die Gangway gesichert.

Spielball von Meer und Wetter

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Zwei Schiffe bei ruhige See und blauem Himmel
Optimales Wetter in Emden: Bei diesen Bedingungen kann Klarierungsagent Jens Klaassen den Zeitplan erfüllen © EVAG

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Auf der Autofahrt zum Büro erzählt der EVAG-Mitarbeiter, dass sein Job nicht immer so reibungslos verläuft wie heute: „Wir haben viel Spaß bei der Sache, denn mehr Nautik und Schifffahrt als in unserem Job geht nicht. Wir nehmen alles mit einer großen Portion Humor, doch es gibt auch Stressmomente. Man hat alles gut geplant und dann gehen die ersten richtig knackigen Herbststürme los – wie im letzten November. Ich hatte Wochenenddienst und das Programm fiel zusammen wie ein Kartenhaus. Die Schiffe kamen nicht rein und nicht raus. Nichts lief so, wie es abgestimmt war.

Dann hatten wir Sturmflut oder extremes Hochwasser. Das heißt viel Stress für die Stauer, weil die Kaianlagen evakuiert werden müssen. Die Beladung dauert länger, weil die Ladung nicht mehr direkt am Kai stehen darf, sondern nur noch im gesicherten Bereich hinter dem Deich. In dieser Jahreszeit sind wir witterungsbedingt sehr anfällig. Da ist man sehr angespannt. Trotzdem darf man keine Fehlentscheidungen treffen. In unserer Agentur steht für diese Fälle immer jemand zur Verfügung, um eine zweite Meinung abzugeben. Teamwork ist wichtig, wenn es stressig wird.“

Ein Frachter läuft ein: Einklarierung statt Feierabend

Zurück im Büro erreicht Jens Klaassen per Smartphone die Nachricht, dass gerade ein Schiff in den Hafen einläuft. Offiziell endet der Dienst von Jens Klaassen heute um 17.00 Uhr, doch der ankommende Frachter fällt noch in seine Zuständigkeit. „Doch kein Feierabend.“ Klaassen macht sich auf den Weg zum Terminal. Das Schiff ist festgemacht, die Gangway ist gesetzt. Für Klaassen besteht die erste Pflicht darin, die Ankunft bei den Behörden zu melden. Die Wege im Emder Hafen sind kurz. Jens Klaassen muss nicht lange auf die Beamten warten. Man duzt sich und kommt rasch ins Gespräch. Es geht um das letzte Fußballspiel. „Wir erfreuen uns bester Beziehungen, was auch den Umständen geschuldet ist, das man oft morgens um vier Uhr, gemeinsam an Bord von Schiffen geht. Das schweißt zusammen“, erzählt Jens Klaassen.

Auch jetzt gehen die Herren gemeinsam an Bord, um mit der Einklarierung zu beginnen. Der Begriff bezeichnet alle Formalitäten, die bei der Ankunft eines Schiffes mit Ämtern, Hafenbehörden und Zoll zu klären sind. Zugegen sind dabei Kapitän und Erster Offizier sowie meist ein Assistent des Kapitäns, der die geforderten Papiere zu Schiff, Besatzung und Ladung einsammeln und vorlegen muss. Sie enthalten Angaben, die auch für das Begleichen von Gebühren, Steuern und Abgaben eine Rolle spielen.

Angelegenheiten von Besatzung und Fracht

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Schiff am Seehafen Emden bei Nacht
Feierabend für Klarierungsagent Jens Klaassen. Doch für die Stauer fängt ihr Job erst an. © EVAG

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Jens Klaassen bespricht mit dem Kapitän den Hafendurchlauf. Der erste Punkt behandelt alle Aspekte, die unmittelbar das Schiff und die Besatzung betreffen. Die Bundespolizei stellt für ein paar visumspflichtige Besatzungsmitglieder Landgangsausweise aus. Außerdem stehen sogenannte schiffseitige Lieferungen an. Dazu gehören Ersatzteile, Proviant oder auch Kraftstoff, der gebunkert wird.

Damit ist die Schiffsseite abgehakt und es geht zum zweiten Punkt, dem Arbeitsprogramm der nächsten Stunden für Crew und Stauer an Land: Wie ist die Schicht geplant, welche Stückzahlen von welcher Ladung sind an Bord? Was wird entladen, was wird verladen? Fragen, die natürlich auch den Zoll interessieren. Wichtig für die Zeitplanung: In welcher Schicht und mit welchem Tiefgang kann das Schiff später Emden wieder verlassen? Das ist der grobe Leitfaden des Klarierungsagenten für das Gespräch an Bord.

Dann ist alles geklärt und Jens Klaassen geht von Bord. Es ist nach 17.00 Uhr. Für den Schiffsmakler geht die Schicht zu Ende. Er fährt zurück in die Agentur, um mit dem Kollegen vom Nachtbereitschaftsdienst die Übergabe zu besprechen. Es ist die letzte Aufgabe eines langen Arbeitstags.

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