Der Drei-Schluchten-Staudamm, der den chinesischen Fluss Jangtse nahe der Stadt Wuhan staut, hat im vergangenen Jahr als abschließende Krönung noch ein Schiffshebewerk erhalten. Das weltgrößte, versteht sich.

Das im Herbst 2016 eingeweihte Schiffshebewerk kann kleine bis mittlere Schiffe – vornehmlich Passagierschiffe – mit bis zu 3.000 Tonnen Verdrängung auf das Stausee-Niveau emporheben. Die Schiffe überwinden damit im Wassertrog des Schiffslifts die 113 Meter (!) Höhenunterschied in 40 Minuten. Der Lift hebt dabei Wassertrog samt Wasser und Mechanik mit einem Gesamtgewicht von 15.500 Tonnen empor. Wie bei jedem Aufzug wird dies mit Gegengewichten erreicht.

2003 musste noch einmal eine vollständige Umplanung der Hebemechanik vorgenommen werden, von Seilzug auf Zahnrad. Hierfür wurden deutsche Ingenieursunternehmen mit der Planung der neuen Hebemechanik betraut. Die zwei parallelen, jeweils fünfstufigen Schleusentreppen hingegen können bereits seit 2015 mit maximaler Kapazität Schiffe transportieren. Für das Durchfahren der Schleusentreppe benötigt ein Schiff jedoch drei bis vier Stunden.

Mit der Eröffnung des Schiffshebewerks gilt das Mega-Bauprojekt ‚Drei-Schluchten-Staudamm‘ als offiziell abgeschlossen. Während der Baufortschritt der Staumauer auch in Deutschland interessiert verfolgt wurde, ist der letztliche Abschluss des Gesamtprojekts hierzulande kaum bemerkt worden. Auch dass der Staudamm für den Transport geografisch bisher undenkbare Möglichkeiten eröffnet, ist wenig bekannt.

Staudamm lässt neue Wasserstraße entstehen

Chinesen bauen gerne groß, seit der Antike. Und auch was Infrastruktur und Wasserwege angeht, hatte China schon damals ein Faible für Bauprojekte in XXL, wie zum Beispiel für den Kaiserkanal, die längste künstliche Wasserstraße der Welt.

Der Bau eines Staudamms, um die Wassermassen des Jangtse zu bezähmen, ist ein uralter chinesischer Traum. Doch viele Bedenken sprechen gegen ein Bauwerk solchen Ausmaßes. Denn dessen Eingriff in die Umwelt und seine Folgen sind bis heute unüberschaubar groß.

Viele Gründe sprechen aber auch für den Bau des Staudamms: Eindämmen regelmäßiger Überflutungen und Dürren, ein Wasserkraftwerk weltgrößten Ausmaßes sowie die Schiffbarmachungen des Jangtse oberhalb der Staustufe. Besonders der letzte Punkt ist für die wirtschaftliche Erschließung des chinesischen Hinterlands von zentraler Bedeutung.

Hochseeschiffe können Chongqing anlaufen

Mit dem Staudamm wurden die Voraussetzungen für die Häfen bei der Stadt Chongqing geschaffen. Der Chongqing Guoyuan Port liegt rund 1.500 Kilometer vom Pazifik entfernt. Nun kann er aufgrund des gestiegenen Wasserspiegels von Handelsschiffen mit bis zu 5.000 tdw Tragfähigkeit direkt vom Pazifik aus ganzjährig angefahren werden. Neben dem riesigen Binnenhafen Guoyuan gehört zu Chongqing auch der erste Binnenzollhafen Chinas: Die Zollhafenzone Chongqing Lianglu-Cuntan wickelt mittlerweile täglich über 1.000 Frachtcontainer für den Export ab.

Zum Vergleich: Der größte Binnenhafen Europas, der Duisburger Hafen, liegt lediglich rund 200 km von der See entfernt. Der Gesamtumschlag aller Duisburger Häfen inklusive aller Privathäfen betrug 2016 133 Mio. Tonnen. Der Gesamtumschlag allein von Chongqing Guoyuan wurde bereits 2012 mit 124 Millionen Tonnen angegeben, aktuellere Zahlen dürften weitaus höher liegen, da der Hafen erst 2015 vollständig fertiggestellt wurde.

Logistik-Drehscheibe in XXL

Mit der Chongqing Liangjiang New Area baut China weitab vom Pazifik eine Logistikdrehscheibe gigantischen Ausmaßes. Sie vereint Wasser, Schiene, Straße und Luft in einem Ausmaß wie wir es in Europa nicht kennen. Liangjiang New Area wird neben den großen Logistik Areas an der Küste ein weiteres wichtiges Handelstor vor allem mit Europa sein. Voraussetzung für den Anschluss an den Wasserweg Richtung Pazifik ist jedoch der Staudamm gewesen.

Aber was will man auch anderes erwarten von einem Logistikzentrum für die größte Stadt der Welt, als die Chongqing rein verwaltungstechnisch gilt? Die Metropolregion Chongqing umfasst mit all seinen Vororten die Fläche von Österreich und eine Einwohnerzahl von 32 Millionen Menschen. Seit Jahren erreicht sie das höchste BIP-Wachstum innerhalb Chinas. Sie ist die Mega-City schlechthin. Nun erhält sie eine Mega-Logistikdrehscheibe mithilfe eines Mega-Staudamms. Die Chinesen bauen halt gerne groß.

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