Christina Kunze, Senior Projektmanager – Digital Engineering, und Gerald Müller, Vice President Process and Efficiency von DB Schenker, haben in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik ein Training entwickelt, das als digitales Spiel Mitarbeiterschulungen bei DB Schenker ergänzen soll – und gleichzeitig mehr Spaß und Erfolg beim Erlernen von Verpackungs- und zukünftig auch Kommissionierprozessen bringt.

Als konkretes Anwendungsfeld war von Anfang an der Standort Leipzig vorgesehen und mit einbezogen. Dort lagert DB Schenker für den Kunden BMW Bauteile und liefert diese weltweit an BMW-Werke aus. Seit Mai 2018 ist in Leipzig das Trainingsspiel für Schulungen im Bereich Kleinpack im Einsatz.

Gerald Müller war auf der DB Schenker Seite für die allgemeine Planung und Organisation des neuen Trainingskonzepts verantwortlich, Christina Kunze für die technische Planung und Umsetzung. Wir haben mit beiden gesprochen.

Video zum Thema  Virtual Reality und Serious Gaming bei DB Schenker:

logistik aktuell: Wie kommt man dazu, für den Bereich Verpackung ein Serious Game zu entwickeln?

Gerald Müller: Wir hatten uns vorgenommen, die bestehenden Mitarbeiter-Trainings um ein neues Trainingskonzept zu ergänzen. Die Herausforderung bestand darin, die teilweise komplexen Handlungsabläufe beim Verpacken der BMW-Bauteile möglichst nachhaltig zu vermitteln, noch bevor die Mitarbeiter in der realen Halle trainieren.

Wie sahen die Trainings in diesem Bereich denn bisher aus?

Müller: Die bisherigen typischen Mitarbeiter-Trainings im Bereich Warehousing setzen sich bei DB Schenker aus zwei Teilen zusammen: Zuerst lernen die Mitarbeiter in einer Frontalpräsentation – mit einem Video und/oder einem Vortrag – den Ablauf kennen. Anschließend erhalten sie ein Training on-the-job direkt in einem Trainingscenter innerhalb der Halle. Der erste Teil, also die Videopräsentation, lässt sich mit modernen Mitteln jedoch viel interaktiver gestalten. Der Grundgedanke dahinter war gewesen: Lerninhalte werden einfacher im Gedächtnis aufgenommen, wenn man sie interaktiv anwendet und ein Feedback erhält. Das Anschauen eines Lehrfilms ist hingegen sehr passiv. Wenn wir also den ersten Teil als virtuelles und interaktives Training gestalten, behalten die Mitarbeiter mehr Lerninhalte und sind auf die Situation in der Lagerhalle konkreter vorbereitet. Sie benötigen letztlich ein kürzeres Training im eigentlichen Trainingscenter in der Lagerhalle, weil sie vorher alle Handgriffe bereits virtuell am Computer erlebt und gelernt haben.

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Wie kann man sich als Außenstehender das virtuelle Training vorstellen?

Christina Kunze: Wir haben versucht, den Arbeitsplatz in Leipzig so realitätsnah wie möglich am PC abzubilden. Das umfasst zum einen natürlich die Lagerhalle, aber vor allem auch den Packplatz mit seiner direkten Arbeitsumgebung inklusive aller Arbeitsmittel, wie zum Beispiel Scanner, Klebebandab-roller, Sicherheitsmesser, Handschuhe und das gesamte Verpackungsmaterial. Außerdem sieht man für jeden Packauftrag den entsprechenden SAP-Screen auf dem virtuellen Monitor. Die Trainingsteilnehmer erlernen mit Hilfe des Trainingsspiels neben den Verpackungstätigkeiten auch den für sie relevanten Umgang mit dem SAP-System in Leipzig.

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Und ist ihre Rechnung aufgegangen? Sind die neuen Mitarbeiter durch das virtuelle Training wirklich besser vorbereitet auf die reale Trainingssituation?

Müller: Ja, durchaus. Die Statistik für das Training, das im Bereich Kleinpack bereits seit Mai angewendet wird, zeigt dies ganz eindeutig. Wir konnten hier das reale Training-on-the-job im Trainingscenter von drei auf zwei Tage verkürzen, einfach weil die neuen Mitarbeiter schon gut Bescheid wussten, welche Handgriffe auszuführen sind. Wegen diesen positiven Erfahrungen wollen wir das virtuelle Training nun sukzessive auch auf andere Trainingssituationen übertragen. Es bieten sich hierbei alle Tätigkeiten an, die wiederkehrend sind und exakt ausgeführt werden müssen, also jegliche Kommissionierung und Verpackung, aber zum Beispiel auch Wartungen.

Aber braucht denn ein Spieler dieses virtuellen Trainings nicht auch für dieses Training wiederum eine Einweisung, sonst weiß er doch gar nicht was zu tun ist, wenn er plötzlich an einem virtuellen Packtisch steht?

Kunze: Nein, grundsätzlich braucht er keine Einweisung, denn das Training beginnt sehr einfach und führt den Anwender kleinschrittig durch die Anwendung, auch die Steuerung des Spiels erklärt sich dabei selbst. Aber dennoch ist selbstverständlich immer ein Trainer im Schulungsraum anwesend, um den Mitarbeitern Tipps und Hilfestellung zu geben.

Insgesamt gilt es, sechs Tutorial-Levels mit den folgenden Themen zu meistern: das Spiel beginnt mit dem Kennenlernen des Arbeitsplatzes und dem Erlernen der Spielesteuerung, weiter geht es mit Ordnung, Sauberkeit und Ergonomie am Arbeitsplatz, der Anmeldung und Bedienung des SAP-Systems, Kontrolle und Identifizierung des Materials. Daraufhin beginnt das eigentliche Verpacken, wobei die Verpackungsprozesse relativ komplex sein können und die Anweisungen dafür an dem simulierten PC über mehrseitige Bildfolgen hinweg umgesetzt werden müssen. Im letzten Tutorial wird schlussendlich der Verpackungsauftrag im SAP abgeschlossen und die entsprechenden Labels ausgedruckt. In zwei verschiedenen Packauftrag-Quests kann der Mitarbeiter anschließend sein gelerntes Wissen anwenden, überprüfen und vertiefen.

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Spielt sich das ganze per VR-Ausrüstung oder am Computermonitor ab?

Kunze: Im derzeitigen Schulungseinsatz in Leipzig spielt es sich noch ganz klassisch per PC-Monitor und Maus ab. Aber auch eine VR-Version ist derzeit in Arbeit und eine Tablet-Version in Planung.

Warum haben Sie die VR-Version nicht in Leipzig im Einsatz?

Müller: Den ersten Trainingspiloten in Leipzig wollten wir bewusst wirtschaftlich gestalten. Aus diesem Grund haben wir eine PC – Spielevariante gewählt, deren Hardware in Klassenraumstärke bereits am Standort vorhanden war. Mit dem Erfolg dieses Piloten wollen wir nun die bereits vorhandene VR-Version unseres Packspiels, die wir bisher nur zu Vertriebszwecken eingesetzt haben zur vollumfänglichen VR-Trainingsversion ausbauen. Unsere Hauptaufgabe ist es nun die Steuerung und den Spieleablauf so zu optimieren, dass sich die trainierenden Mitarbeiter in der virtuellen Welt auch wohlfühlen. Dies ist absolut essentiell damit sie die optimalen Trainingseffekte erzielen können.

Trainingsspiel bei DB Schenker: Der Vergleich von Labels gehört auch dazu. © DB Schenker
Trainingsspiel bei DB Schenker: Der Vergleich von Labels gehört auch dazu. © DB Schenker

Kunze: Was für eine eher statische Trainingssituation (z.B. arbeiten an einem Packarbeitsplatz) für die meisten Personen kein Problem ist gestaltet sich für eher dynamische Trainings schon schwieriger. Hierzu ein konkretes Beispiel aus unserm VR Alltag: Wenn man virtuell mit dem Gabelstapler fährt, real sich aber nicht bewegt, kann das bei empfindlichen Menschen Unwohlsein auslösen, vergleichbar etwa mit der Seekrankheit. Dieses Phänomen hat sogar einen Namen: VR Sickness. Aber genauso wie sich Seeleute an den Wellengang gewöhnen, stellt sich auch in der VR ein Gewöhnungseffekt ein. Nur haben aber eben die meisten Menschen bisher noch kaum VR-Erfahrung gesammelt. Unser Ansatz ist es dieser Situation mit beweglichem Equipment, z.B. einem Gabelstapler – Simulator zu begegnen. Erste Anbietertests werden uns hierzu mehr Informationen geben.

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Müller: Sie sehen, wir haben alle Arten eines innovativen Mitarbeitertrainings im Blick und können je nach Anforderungsprofil unserer Kunden reagieren und eine optimale, wirtschaftliche Lösung konzipieren.

Was sagen denn die Mitarbeiter zu der neuen Trainingsmethode, wie kommen Mitarbeiter ohne PC-Kenntnisse damit zurecht?

Kunze: Bei Mitarbeitern, die bis dahin nur wenig oder keine PC-Erfahrung hatten, fällt auf, dass sie den Umgang mit PC und Maus bereits im virtuellen Training üben und im anschließenden realen Training erheblich weniger Angst haben, beispielsweise im Umgang mit dem SAP-System etwas falsch zu machen.

Müller: Wir erhalten ein allgemein positives Feedback von den Teilnehmern, weil sie einfach besser vorbereitet sind auf das eigentliche Trainingscenter. Es fällt ihnen dort leichter, das reale Training zu absolvieren. Auch von den Trainern bekommen wir sehr positives Feedback, sie stellen eine erhebliche Verbesserung fest im Vergleich zum vorher eingesetzten Lehrmaterial. Und dafür spricht auch ganz objektiv, die durchschnittliche Reduktion der Trainingszeit von drei auf zwei Tage.

Vielen Dank für das Interview und den Einblick in das Schenker Enterprise Lab.

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Christina Kunze
Senior Projektmanager – Digital Engineering
Christina.Kunze@dbschenker.com

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