Im Congress Center Leipzig (CCL) fand am 4. und 5. Februar das „Forum Automobillogistik“ von VDA und BVL statt. © Kai Bublitz / BVL
Im Congress Center Leipzig (CCL) fand am 4. und 5. Februar das „Forum Automobillogistik“ von VDA und BVL statt. © Kai Bublitz / BVL

Wenn sich Automobilindustrie und Logistikbranche treffen, geht es immer um das eine: Prozesse, Prozesse, Prozesse. Da bildete das diesjährige Forum Automobillogistik, veranstaltet vom Verband der Automobilindustrie (VDA) und der Bundesvereinigung Logistik (BVL), keine Ausnahme.

„Grenzen einreißen“

Es gab eine Zeit, da konnte man sagen: hier die Automobilhersteller und dort ihre Partner aus der Logistik. Hier die wertschöpfende Tätigkeit, dort der Warenfluss. Diese Trennung beider Bereiche ist längst passé. Autobauer beschäftigen erstklassige Logistiker in ihren Reihen und Logistiker übernehmen Montagearbeiten. Eine klare Linie zwischen „das machen wir“ und „das übernehmen die anderen“ lässt sich immer weniger und schon gar nicht allgemeingültig ausmachen. Gleich bei der Kongress-Eröffnung unterstrich BVL-Geschäftsführer Thomas Wimmer: „Logistik und Supply Chain Management haben von jeher viele Schnittstellen zu den Bereichen Beschaffung, Qualität, Produktion und Einkauf“.

Fragt sich nur: Warum lautet gerade jetzt, im Jahre 2020, das Kongressmotto „Grenzen einreißen“? Man ist sich doch einig, dass diese längst verschwunden sind. Handelt es sich womöglich um eine späte Verneigung vor dem Veranstaltungsort Leipzig, dessen Bewohner sich schon vor 30 Jahren als Experten für das Einreißen von Grenzen erwiesen haben?

Wohl eher nicht! Die Schöpfer des Mottos hatten etwas ganz anderes im Sinn. Für Wimmer ist klar: „Es geht um übergreifende Themen, denen die Zukunft gehört.“ Es geht um die Digitalisierung. Die verlangt ein weiteres Mal, dass Autobauer und Logistiker vertrautes Terrain verlassen. Dazu müssen alle Akteure noch ganz andere Barrieren als bisher überwinden – oder eben Grenzen einreißen.

Das war eines der zentralen Themen des Forums: die digital vernetzte und digital gesteuerte Interaktion von Fertigung und Logistik unter Einbindung von „externen“ Prozesspartnern wie Lieferanten, Logistikdienstleister oder Berater. Das hat viel mit Transparenz zu tun, mit Offenheit für neue Ansätze und neue Geschäftsmodelle.

Beispiele für das Aufweichen von Grenzen lieferte der Kongress zuhauf. Exemplarisch sei das Lager angeführt, das bei Abrufschwankungen die Lieferungen ans Band von selbst beschleunigt oder verlangsamt. Oder der Automobilhersteller, der Komponenten nicht mehr wie üblich beim Vertrieb seines Lieferanten bestellt, sondern den Abruf direkt an die Maschine sendet. Und die weiß dann schon, was zu tun ist und wird entsprechend mit Material versorgt. Die Digitalisierung macht’s möglich. Je mehr Zulieferer, Automobilhersteller und Logistiker die digitalen Schranken zwischen ihren Unternehmen öffnen – oder mottogerecht „Grenzen einreißen“ – umso effizienter laufen die Prozesse.

Oder noch ein anschauliches Beispiel: Im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz und Deep Learning kann ein Computer eigenständig bestimmen, ob ein Ladungsträger nach der Leerung gereinigt werden muss, bevor er wieder in den Umlauf geht. Das klappt bisher nur im Modell, aber es funktioniert. Die Entscheidung trifft der Computer genauso klug und treffsicher wie intelligente Erwachsene.

Prozesse: der Mensch gestaltet, automatisiert und überwacht

Der Trend zur Automation wirft zwangsläufig die Frage auf, wo denn der Mensch bleibt, wenn sein digitaler Kollege den Job macht. Man denke an all die Transportsysteme in Lagern, die sich autonom zurechtfinden. Oder an Platooning-Kolonnen, bei denen nur vorne einer am Lenker sitzt und sich die Lkw dahinter über eine digitale Deichsel fernsteuern lassen. Das kommt. Doch für Erik Wirsing, Vice President Global Innovation Schenker AG, ist klar: „Bis 2030 werden sich autonom fahrende Lkw noch nicht komplett durchgesetzt haben – und erst recht nicht in Deutschland.“

Das Thema Mensch zog sich wie ein roter Faden durch die rund zwei Dutzend Fachvorträge auf dem Forum Automobillogistik. Die Antwort fiel immer gleich aus: Menschen und menschliche Fähigkeiten werden weiterhin gebraucht, wenn auch vielleicht nicht mehr an der Maschine oder im Fahrzeug. Wohl aber als Gestalter und Überwacher der Prozesse. Und die bleiben das entscheidende Thema der Automobillogistik.

Ein ausführliches Interview mit Erik Wirsing, Vice President Global Innovation Schenker AG,  der auf dem Forum über additive Fertigung in der Logistik sprach, lesen Sie demnächst hier.

About the Author

Andreas Pietsch Der freie Journalist Andreas Pietsch ist auf Logistik-Themen spezialisiert. Er schreibt seit 1992 für DB Schenker beziehungsweise für die Vorgängergesellschaften. Am meisten angetan haben es ihm die Themen aus Landverkehr, Seefracht und Kontraktlogistik. Aber auch bei der Luftfracht weiß er, wie man einen Sachverhalt treffend auf den Punkt bringt.