Tödliche Tunnel? Der Anzob-Tunnel in Tadschikistan und der chinesische Guoliang-Tunnel
Tödliche Tunnel? Der Anzob-Tunnel in Tadschikistan und der chinesische Guoliang-Tunnel

„Sogar bei gutem Wetter ist der Tunnel überflutet, wodurch die riesigen Schlaglöcher auf dem schier endlosen Weg zu unsichtbaren Todesfallen werden“ so dramatisch beschreibt der Reiseblogger Silvan Graf die Erfahrungen mit dem berüchtigten Anzob-Tunnel, den er 2014 auf einer großen Motoradtour durch Asien durchquert hat.

Tatsächlich galt der in der Region Sughd in Tadschikistan gelegene Anzob-Tunnel lange Zeit als einer der gefährlichsten Passagen der Welt. Einheimische bezeichneten ihn gar als Tunnel der Angst oder Tunnel des Todes. Dabei ist er ein wichtiger Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur Tadschikistans. Der etwas über 5 Kilometer lange Tunnel ist Teil der M34, der Hauptverkehrsstraße zwischen der Hauptstadt Duschanbe und Chudschand, der zweitgrößten Stadt des Landes. Gebaut wurde er zur Umgehung des berüchtigten Anzob-Passes.

Dunkelheit und Atemnot: Der Anzob-Tunnel

Doch schon bald nach der Eröffnung im Jahr 2006 zeigte sich: Der stark befahrene Tunnel machte die wichtige Verkehrsroute keineswegs sicherer. Zahlreiche bauliche Mängel ließen ihn regelrecht zur Falle werden: Es gab so gut wie kein Licht im Inneren. Bis auf die Lichter der Fahrzeuge war es also stockfinster. Der Tunnelboden war mit einem Netz riesiger Schlaglöcher durchzogen. Das Navigieren wurde noch durch die mangelnde Entwässerung erschwert. Ein ständiger Wasserstrom verbarg die Schäden in der Fahrbahn, so dass immer wieder Fahrzeuge in den tiefen Löchern und nicht markierten Entwässerungsrinnen einbrachen und liegenblieben.

Doch das Schlimmste war eine unsichtbare Bedrohung: die Luft. Mangels Belüftungssystems verdichtete sich die Luft im Tunnel zu einem lebensgefährlich mit Kohlenmonoxyd und Staub angereichertem Gemisch. Atemnot und Kopfschmerzen waren beim Durchqueren unvermeidlich. Doch Einheimische und das britische Online Magazin Daily Mail berichten sogar von Menschen, die im Tunnel starben, weil sie im Stau festsitzend dem Kohlenmonoxid erlagen.

Bis 2016 wurde der Tunnel für Reparaturarbeiten immer wieder geschlossen. Nach jahrelangen Arbeiten am Entwässerungssystem und einer Beleuchtung verkündete die Regierung Tadschikistans Ende 2016 die Sanierung als abgeschlossen. Seitdem ist eine der Tunnelröhre wieder geöffnet und tatsächlich ist das Fahren etwas sicherer geworden. Doch eine Entlüftungsanlage fehlt weiterhin. Die Fahrt durch den Ansob-Tunnel bleibt atemberaubend.

Die Straße, die keine Fehler duldet: Der Guoliang-Tunnel

Ganz andere Herausforderungen hält der Guoliang-Tunnel bereit. Dieser Straßentunnel erstreckt sich durch das Taihang Shan-Gebirge in den nordchinesischen Provinzen Shanxi und Hebei. Vor seinem dem Bau im Jahr 1972 konnte das kleine chinesische Dorf Guoliang nur über einen extrem gefährlichen Pfad erreicht werden. Für den Straßenverkehr war es vom Rest der Welt abgeschnitten.

Entlang dieser Steilwand schlängelt sich der Guoliang-Tunnel (Foto: 山海风 /Lizenz: Creative Commons BY-SA 3.0)

Der Tunnelbau erfolgte auf Initiative der Dorfbewohner von Guoliang. Um Material und Werkzeuge für das Projekt zu kaufen, veräußerten sie einen großen Teil ihres Besitzes. Und schon die Bauphase erwies sich als gefährlich. Bis zur Eröffnung des Tunnels im Jahr 1977 kamen 13 Arbeiter ums Leben.

Die Fahrbahn des Tunnels ist nur fünf Meter breit. Sie schlängelt sich auf einer Länge von 1200 Metern entlang eines steilen Abgrunds. Entlang der Strecke gibt es über 30 „Fenster“, die atemberaubende Blicke auf die angrenzende Schlucht bieten. Ursprünglich wurden diese Öffnungen von den Bauarbeitern genutzt, um Schutt aus dem Tunnel zu entfernen. Jetzt lassen sie Licht hinein. Doch entlang der Fenster ist die Fahrbahn nur durch einen sehr niedrigen Sims vom Abgrundgetrennt. Jede Unaufmerksamkeit, jeder Fahrfehler kann tödliche Folgen haben. Nicht umsonst ist die Guoliang-Tunnelstraße als „Straße, die keine Fehler duldet“ bekannt.

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Frieder Schwitzgebel Dr. Frieder Schwitzgebel studierte Philosophie und Physik an den Universitäten Mainz und Dijon und arbeitet seit 1996 als Unternehmensjournalist. Er ist Dozent für Wirtschaftsphilosophie an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Wiesbaden. Seine Schwerpunkte sind Neue Technologien, Kontraktlogistik und die Plattformökonomie.