Wie wird das Jahr 2022? Ausblicke sind schwierig, denn die politischen Voraussetzungen können sich jederzeit rasch ändern. Credit: stock.adobe.com/sittinan

Wie wird das Jahr 2022? Der Blick in die Glaskugel der Zukunft ist derzeit schwieriger als in den Jahren zuvor: Die Corona-Pandemie und zunehmende politische Unwägbarkeiten versehen jede Prognosen mit einem sehr kurzen Haltbarkeitsdatum. Dennoch gibt es Trends, mit denen Akteurinnen und Akteure in der Logistikbranche in den kommenden Jahren umgehen müssen. logistik aktuell stellt die drei wichtigsten vor.

Hohe Volatilität und geringe Resilienz

Noch bremsen die Folgen der Pandemie und Lieferengpässe die wirtschaftliche Entwicklung – und zwar weltweit. Aber viele Volkswirte gehen davon aus, dass die Menschen im kommenden Jahr ihren privaten Konsum nachholen: Davon profitieren die Hersteller und Händler für Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräte oder Möbel – und die Logistiker. Allerdings werden die Lieferketten immer komplexer, haben die Fachleute im Gremium der Logistikweisen festgestellt. In der Konsumgüterlogistik zum Beispiel sind mehr Nachverfolgbarkeit, regionale Fertigung oder klimaneutrale Lieferketten die maßgeblichen Trends. Und der zunehmende E- Commerce prägt mit Schnelligkeit, Flexibilität und Kleinteiligkeit auch den Markt zwischen Handel und Industrie, so die Logistikweisen in ihrem Herbstgutachten von Oktober 2021. Gleichzeitig stocken Industrie und Handel weiter ihre Bestände auf, um Lieferkettenunterbrechungen zu vermeiden – auch das treibt das Wachstum der Logistik.

„In den vergangenen 20 Jahren hat die Logistik einen enormen Mehrwert in der industriellen Fertigung ermöglicht“, sagt Markus Pütz, CCO bei DB Schenker für das Cluster DE/CH. „Die Pandemie und die zunehmende Volatilität am Markt führen uns jetzt den Wert von Logistik erneut vor Augen.“
Andererseits könnten solche Unterbrechungen und mögliche Coronawellen bis zum Sommer 2022 zu einer hohen Volatilität bei den Transportvolumina führen, so eine Studie des Kreditversicherers Euler Hermes zum Welthandel. Dennoch werde die Industrie langfristig nicht auf das kostensparende, aber empfindliche Logistikkonzept Just in Time verzichten können.

Mehr Klimaschutz

Ein weiterer Treiber der Logistik ist die Klimaneutralität, denn Nachhaltigkeitsaspekte setzen sich immer stärker durch. Nach Ansicht der Logistikweisen ist vor allem die Konsumgüterbranche Treiber auf dem Weg zu mehr Klimaneutralität.

Gleichzeitig könnte die Dekarbonisierung des Verkehrs schneller voranschreiten. Deutschland soll Leitmarkt für Elektromobilität werden, mit mindestens 15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr 2030. Dafür soll auch die Ladeinfrastruktur massiv ausgebaut werden.

Dieser Wandel zur Elektromobilität setzt alle beteiligten Unternehmen in der Automobilindustrie unter hohen Druck. Dennoch schätzen die Logistikweisen, dass die Logistik für die Autoindustrie und Industriegüter zunehmend nachgefragt wird, wenn Rohstoff- und Komponentenengpässe 2022 beseitigt worden sind.
Die Klimapolitik wirkt sich langfristig auch auf die einzelnen Verkehrsträger aus: Viel Geld wird möglicherweise in den Schienengüterverkehr fließen, der bis 2030 auf einen Anteil im Modal Split von 25 Prozent steigen soll – sechs Prozent mehr als heute.

In den Lieferketten werden verkehrsträgerübergreifende Transportlösungen wichtiger. Dafür will die Bundesregierung Verkehrsunternehmen und Mobilitätsanbieter verpflichten, Echtzeitdaten bereitzustellen. So könnten digitale Mobilitätsdienste mit innovativen Mobilitätslösungen und Carsharing Verkehre autonomer, vernetzter und klimafreundlicher machen.

Die Branche steckt mitten im digitalen Wandel

Effizienz und Nachhaltigkeit sind Trends, die mit der Digitalisierung einhergehen. Mittlerweile befinden sich Teile der Logistikbranche tief im digitalen Wandel. Die Logistikweisen gehen davon aus, dass die IT-Ausgaben 2022 rasch weiter ansteigen, um die Digitalisierung voranzubringen.

Der Trendreport der Bundesvereinigung Logistik BVL vom Herbst 2021 zeigt dass die meisten Fach- und Führungskräfte der Branche erkannt haben, wie wichtig digitale Technologien im Supply Chain Management sind. Nach dem halten 93 Prozent der befragten Unternehmen die Digitalisierung für entscheidend, um künftige Krisen zu meistern. 81 Prozent gaben an, solche Projekte begonnen zu haben oder zu planen.

Auch Künstliche Intelligenz wird immer öfter eingesetzt. Unternehmen setzen zunehmend auf KI-gestützte Absatzplanungen und Bedarfsprognosen, denn KI sorgt für mehr Effizienz. Die überwiegende Anzahl der Logistiker geht davon aus, dass derjenige, der heute in diese Technologie investiert, in fünf Jahren besser am Markt positioniert sein wird.

Die Corona-Pandemie hat in vielen Unternehmen Digitalisierungsvorhaben beschleunigt. Das wirkt sich auch auf die Mitarbeitenden im Unternehmen aus. Ihr Wissensspektrum beim Thema Digitalisierung hat sich vergrößert. Der Trendreport der BVL hält fest: Fühlten sich 2018 fast die Hälfte der Mitarbeitenden in Sachen Digitalisierung schlecht informiert, ist es heute nicht einmal mehr jeder Vierte.

Wachstum und Kosten

Diese Trends finden in einem wirtschaftlichen Umfeld statt, das im Grunde positiv ist. Wirtschaftsforscher an den großen Instituten rechnen für 2022 mit einem starken Wirtschaftswachstum in Deutschland in Höhe von bis zu 4,8 Prozent.

Auch den Logistikern bieten sich gute Perspektiven: Die Logistikweisen prognostizieren ihnen ein nominales Wachstum von bis zu 5,8 Prozent in Deutschland. Allerdings steigen auch die Kosten durch Engpässe bei Transportkapazitäten, Fachkräftemangel und hohe Baukosten. Das sorgt dafür, dass das reale Wachstum vermutlich nur bei 2,1 bis 3 Prozent liegt. Nach den vergangenen Monaten könnten das aber schon fast paradiesische Aussichten für eine arg gebeutelte Branche sein. Sofern die pandemischen Wellen einmal aufhören, die Weltwirtschaft zu erschüttern.

About the Author

Axel Novak Axel Novak ist freier Journalist in Berlin. Seit mehr als einem Jahrzehnt beschäftigt er sich mit der Logistik-Branche und den Veränderungen, denen sie unterworfen ist. Axel Novak schreibt für Zeitungen, für Zeitschriften und für Unternehmen. Seine Schwerpunkte sind allgemeine Wirtschaftsthemen mit dem Fokus auf Mobilität, IT, Energie und Finanzen.